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19. 01. 2017

NL Post Nr. 288: Innere Sicherheit stärken

I. Aktuelle Themen

Innere Sicherheit stärken

Wir haben in dieser Legislaturperiode bereits eine Menge bei der inneren Sicherheit erreicht, wir haben das Personal bei den Sicherheitsbehörden deutlich aufgestockt und ihre Befugnisse ausgeweitet. Wir sind uns aber in der Koalition einig, weitere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit auf den Weg zu bringen wie etwa einen weitergehenden Einsatz von Fußfesseln gegen Gefährder. Bundesinnenminister de Maizière hatte bereits im Oktober letzten Jahres konkrete Vorschläge für die Senkung der Hürden bei der Abschiebehaft und eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams vorgelegt, die der Koalitionspartner damals abgelehnt hat. Wir begrüßen, dass nunmehr eine Einigung innerhalb der Koalition erzielt werden konnte. Wichtig ist es, nicht nur die Konstellation des jüngsten Terroranschlages im Blick zu haben, sondern insgesamt noch besser gegen terroristische Gefahren gewappnet zu sein. Dabei muss auch grundsätzlich über die Sicherheitsarchitektur nachgedacht werden. Mit Blick auf die Kompetenzen in Bund und Ländern darf es keine Denkverbote geben.


Einbruchdiebstahl wirksam bekämpfen

Den Gesetzentwurf von Bundesminister Maas zur Bekämpfung des Einbruchdiebstahls haben wir gestoppt. Wir wollen, dass der Einbruchdiebstahl mit einer Mindeststrafe ‎von einem Jahr bestraft wird und so die Einstellung von Verfahren schwerer wird. Zudem sollen die Strafermittlungsbehörden das Instrument der Telekommunikationsüberwachung zur Aufklärung dieser Straftaten einsetzen können. Dies sieht der Gesetzentwurf von Bundesminister Maas bisher nicht vor. Wir fordern nach wie vor von der SPD, ihren Widerstand gegen die Mindeststrafe von einem Jahr aufzugeben, und werden darüber auch öffentlich diskutieren.


Hasskommentaren im Internet effektiver begegnen

Soziale Medien bieten völlig neue Möglichkeiten der politischen Kommunikation, das erleben wir national wie international. Sie bergen aber auch Gefahren. Zunehmend sind Facebook, Twitter und Co. zu Plattformen geworden, auf denen Falschmeldungen und Hassbotschaften verbreitet und andere Menschen herabgewürdigt werden. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie die Personen, die diese Meldungen erstellen. Die Betreiber sozialer Medien tragen jedoch eine


Mitverantwortung, da sie die Instrumente für eine massenhafte Verbreitung zur Verfügung stellen. Die Union hat schon frühzeitig gefordert, dass rechtswidrige Kommentare in sozialen Medien schnellstmöglich wieder gelöscht werden sollen. Es gilt, die bereits bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen effektiver auszugestalten und durchzusetzen.

Die von Hetze Betroffenen müssen schnell zu ihrem Recht kommen. Deshalb wollen wir die Betreiber verpflichten, leicht zugängliche Beschwerdestellen vorzuhalten und innerhalb von 24 Stunden auf gemeldet Hasskommentare und verleumderische Fake-News zu reagieren. Ansonsten soll eine empfindliche Strafzahlung erfolgen. Das Bußgeld muss wirken und im Zweifel auch weh tun. Es geht neben dem Schutz der Persönlichkeit um nicht mehr und nicht weniger als den Schutz unserer Demokratie, deren Grundlage in einem offenen Meinungsaustausch im Rahmen der Rechtsordnung besteht. Wir begrüßen, dass der Bundesjustizminister nun den Weg der runden Tische mit den Plattformbetreibern verlassen hat und erwarten, dass er nun sehr zeitnah zusammen mit dem für das Telemediengesetz zuständigen Bundeswirtschaftsminister einen Gesetzentwurf vorlegt


II. Daten und Fakten

Deutsches Wirtschaftswachstum auf Vierjahreshoch

Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr mit einem Plus von 1,9 % im Vergleich zum Vorjahr so stark gewachsen wie zuletzt im Jahr 2011. Damit zeigte sich die konjunkturelle Lage wie schon in der Vergangenheit äußerst solide. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, trugen vor allem die privaten Konsumausgaben mit einem preisbereinigten Zuwachs von 2,0 % zur positiven Entwicklung bei. Die staatlichen Konsumausgaben stiegen im Vergleich mit + 4,2 % sogar noch stärker an. Als weitere Stütze des deutschen Wirtschaftswachstums erwies sich die Investitionstätigkeit. Die preisbereinigten Bauinvestitionen legten im Jahr 2016 um 3,1 % zu. Dies führte neben mehr Wohnraum auch zur Belebung des Baugewerbes, das gemeinsam mit allen anderen Wirtschaftsbereichen besonders positiv zur Bruttowertschöpfung beitrug. Die gute konjunkturelle Lage wirkte sich auch erfreulich auf den Arbeitsmarkt aus, wo mit 43,5 Millionen der höchste Stand von Erwerbstätigen seit 1991 gemessen werden konnte.(Quelle: Statistisches Bundesamt)


Aufwärtstrend beim Nachwuchs

Die Geburtenrate in Deutschland hat im Jahr 2015 einen neuen Höchststand erreicht. Mit 1,50 Kindern je Frau erreichte die zusammengefasste Geburtenziffer den höchsten Wert seit 33 Jahren. Damit setzt sich die positive Entwicklung bei der Zahl der Neugeborenen seit dem Jahr 2012 fort. Besonders viele Kinder wurden in den ostdeutschen Bundesländern geboren, im Schnitt 1,56 Kinder je Frau. Entsprechend führen Sachsen (1,59), Thüringen (1,56) und Mecklenburg-Vorpommern (1,55) als Spitzengruppe das Länderranking an. Das durchschnittliche Alter der Mütter blieb fast unverändert bei 31 Jahren. Die Mütter der Erstgeborenen waren 2015 durchschnittlich 29 Jahre und 7 Monate alt. Beim zweiten beziehungsweise dritten Kind waren die Mütter knapp 32 beziehungsweise 33 Jahre alt. (Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung, Statistisches Bundesamt)



III. Dokumente

Stellungnahme des Bundestagspräsidenten zum NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017

„Ich begrüße, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich feststellt, dass das politische Konzept der NPD verfassungsfeindlich ist, der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde verletzt und die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip missachtet. Diese Feststellungen haben nicht nur juristische, sondern auch politische Bedeutung.
Für überzeugend halte ich aber ebenfalls, dass das Bundesverfassungsgericht konkrete Anhaltspunkte zur Voraussetzung eines Verbots macht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch in absehbarer Zeit umsetzen kann. Von einer solchen Durchsetzungskraft der NPD kann bei dem seit Jahren schwindenden politischen Einfluss, sinkenden Mitgliederzahlen, dem Verlust der letzten Landtagsmandate und der schwachen finanziellen Ausstattung dieser Partei kaum die Rede sein. Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz ist aber eben kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot, wie das Gericht zu Recht feststellt.

Die Entscheidung ist nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht mehr überraschend, zumal ein Verbot der NPD schon auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf hohe rechtliche Hürden stößt. Auch deswegen hat sich der Bundestag dem Antrag des Bundesrats nicht angeschlossen; unabhängig davon kommt es für die Erfolgsaussichten eines Verbotsantrags nicht auf die Zahl der Antragsteller, sondern auf die Antragsbegründung an.

Ein Verbot wäre zudem vermutlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten worden. Nach dessen Rechtsprechung kommt es nicht nur auf den Willen einer Partei an, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, sondern auch darauf, dass die ernsthafte Gefahr besteht, dass ihr dies auch gelingt.“




Einleitende Worte vor Eintritt in die Tagesordnung am 19. Januar 2017 zum Anschlag am Breitscheidplatz

Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Exzellenzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste!

Als wir uns nach der letzten Sitzungswoche im Dezember in die Weihnachtspause verabschiedeten, galten unsere guten Wünsche einem besinnlichen Weihnachtsfest und einem glücklichen, möglichst friedlichen neuen Jahr. Der schockierende Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz hat diese Hoffnungen auf entsetzliche Weise zerstört.

Wie zuvor in Nizza richtete ein islamistischer Terrorist einen Lkw als mörderische Waffe gegen unzählige Passanten. Es sollten nicht bestimmte, sondern möglichst viele Menschen getroffen werden. Sechs Frauen und sechs Männer, die am Fuße der Gedächtniskirche in fröhlicher Vorweihnachtsstimmung zusammenstanden, wurden brutal aus dem Leben gerissen. Unter den Toten befinden sich neben sieben Deutschen Menschen aus Polen, der Ukraine, Italien, Tschechien und Israel, die sich zur Arbeit in Berlin aufhielten, unsere Hauptstadt besuchten oder hier eine neue Heimat gefunden hatten. - Ich begrüße die Botschafter und Gesandten der genannten Länder herzlich auf unserer Ehrentribüne. - Dutzende Menschen wurden bei dem Anschlag zum Teil lebensbedrohlich verletzt, sie kommen aus aller Welt. Viele von ihnen werden noch lange kämpfen müssen, um körperlich wie seelisch ins Leben zurückzufinden. Nicht anders ergeht es Augenzeugen und den vielen Hilfskräften, denen wir für ihren Einsatz am Tatort und in der Betreuung der Opfer und Hinterbliebenen von Herzen danken.

Es gehört zu den kaum vermeidbaren, aber schwer erträglichen Mechanismen der Wahrnehmung solcher Ereignisse durch die Medien und die Öffentlichkeit, dass dem Täter regelmäßig weit größere Aufmerksamkeit geschenkt wird als denen, die er in den Tod riss. Das Gesicht des Mörders vom Breitscheidplatz ist uns allen bekannt, wir sehen es über Wochen beinahe täglich in Zeitungen, im Netz und im Fernsehen. Wir kennen seine Lebensgeschichte bis ins Detail. Von den Opfern ist hingegen wenig bekannt. Angemessen ist das natürlich nicht, aber es verdeutlicht zugleich die ganz unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse, denen es gerecht zu werden gilt und denen wir natürlich nicht gerecht werden können. Vor allem haben wir den Wunsch trauernder Angehöriger auf Privatsphäre, darauf, in ihrer Trauer nicht allein, aber in Ruhe gelassen zu werden, unbedingt zu respektieren, auch gegenüber nachvollziehbaren Bedürfnissen von Medien und Öffentlichkeit. Dass es im Übrigen nach solch schrecklichen Taten immer sofort die Forderung nach möglichst schneller Aufarbeitung und möglichst konkreten Schlussfolgerungen gibt, ist nicht zu beanstanden und ist gewiss nicht Ausdruck mangelnden Mitgefühls. Lichter und Blumen am Tatort zeugen vielmehr von der großen Anteilnahme der Bevölkerung am Leid der Betroffenen.

Für die Familien, Partner, Freunde der Opfer änderte sich binnen Sekunden beinahe alles; Lebenspläne, Wünsche, Hoffnungen wurden von einem Moment zum anderen zerstört. Der Schmerz der Hinterbliebenen ist unermesslich, allenfalls können wir ihn erahnen, aber wir teilen ihre tiefe Trauer. Das haben wir unmittelbar nach der Tat, am nächsten Tag, in dem berührenden Gedenkgottesdienst in der Berliner Gedächtniskirche zum Ausdruck gebracht, in Anwesenheit des Staatsoberhauptes, der Spitzen unserer Verfassungsorgane, vieler Mitglieder des Bundestages, der Bundesregierung und zahlreicher Repräsentanten unserer Gesellschaft. Vertreter der Religionsgemeinschaften demonstrierten in einer eindrucksvollen interreligiösen Andacht ihren Schulterschluss angesichts der terroristischen Gewalt.
Ich danke dem Herrn Bundespräsidenten, dass er auch heute Morgen durch seine Anwesenheit unserem Gedenken im Deutschen Bundestag einen besonderen Rang gibt.

Mit uns trauern Menschen in aller Welt. Das in zahlreichen Kondolenzen zum Ausdruck gebrachte Mitgefühl berührt und stärkt uns. Dankbar sind wir - als Beispiel für viele andere - unseren französischen Freunden, die in der Assemblée nationale mit einer Gedenkminute für die Opfer ihre Anteilnahme zum Ausdruck brachten. Wie die vom islamistischen Terror leidgeprüften Franzosen wissen unsere europäischen Nachbarn und Partner in der Welt, dass es sie jederzeit selbst treffen kann. Jeder von uns ist gemeint, jeder von uns ist betroffen. Das belegen in den wenigen Tagen des neuen Jahres der mörderische Angriff in der Silvesternacht auf feiernde Menschen in Istanbul, die verheerenden Bombenattentate auf einen Markt in Bagdad und der Anschlag, wiederum mit einem Lkw, auf Soldaten in Jerusalem. Den Opfern dieser menschenverachtenden Brutalität fühlen wir uns verbunden. Sie mahnen, dass sich der weltweiten Terrorgefahr wirkungsvoll nur gemeinsam entgegentreten lässt - und deshalb müssen wir endlich zu einer effektiven sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in Europa und darüber hinaus kommen.

Terror, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zielt darauf ab, demokratische Gesellschaften zu erschüttern, zu lähmen, zu destabilisieren. Dieses Ziel haben die Terroristen in Deutschland nicht erreicht. Die Bevölkerung reagiert mit bemerkenswerter Besonnenheit auf den Terror. Die Menschen demonstrieren damit eindrücklich, dass sie ihr Leben nicht von Drohungen und nicht von Angst diktieren lassen wollen.
Und doch verändert die Terrorgefahr zwangsläufig unser Leben. Wir erfahren es spürbar bei jeder Sicherheitskontrolle und mit einem natürlich gewachsenen Sicherheitsbedürfnis. Zu Recht erwarten die Bürgerinnen und Bürger vom Staat und seinen Institutionen, dass er sie schützt, dass er Vorsorge trifft gegen mögliche Gefahren. Er hat seine Handlungsfähigkeit auch und gerade unter der islamistischen Terrorgefahr zu beweisen. Das ist im Grundsatz unstreitig, in der Umsetzung aber nicht einfach.
Freiheit braucht Sicherheit, wenn sie verlässlich sein soll. Und Sicherheit braucht Freiheit, wenn sie nicht zur Repression verkommen soll. Deshalb sollten wir den Staat mit unseren Ansprüchen auch nicht überfordern - und schon gar nicht dürfen wir vortäuschen, einem unkalkulierbaren Gegner mit scheinbar einfachen Mitteln begegnen zu können. Auch Länder, die keine Freiheit haben oder diese im Namen der Sicherheit stark einschränken, bieten keineswegs besseren Schutz. Die erschreckende Serie der Attentate in der Türkei in den vergangenen Monaten zeigt, dass auch da, wo im Ausnahmezustand regiert und die exekutive Autorität im Staat auf Kosten freiheitlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien immer weiter ausgeweitet wird, keine Sicherheit garantiert werden kann. Autoritäre Systeme sind nachweislich nicht sicherer. Sie erkaufen die Illusion größeren Schutzes vor Terror und Gewalt mit der Verweigerung unverzichtbarer Freiheitsrechte.
Die freie Gesellschaft ist aber nicht ohnmächtig. Auch sie kann und muss sich wehren. Unser Staat kann Gefahren nicht ausschließen, die Sicherheitsbehörden können sie aber mit den rechtsstaatlichen Mitteln begrenzen, die ihnen zur Verfügung stehen.

Vielfach ist es bereits gelungen, Anschläge in unserem Land zu verhindern. Dennoch bleiben nach dem verheerenden Anschlag vom Breitscheidplatz drängende Fragen, auf die es noch keine abschließenden Antworten gibt. Die Erkenntnisse über den Täter, der, obwohl als Gefährder eingestuft, den zuständigen Behörden bekannt, mit zahlreichen falschen Identitäten ausgestattet, ungehindert zuschlagen konnte, zwingen uns, die Sicherheitsarchitektur in unserem Land zu überdenken. Der Rechtsstaat ist ja nicht an sich selbst gescheitert, vielmehr hat er seine Mittel offensichtlich nicht ausgeschöpft. Wir müssen organisatorische Fehler und strukturelle Schwächen aufklären und Konsequenzen daraus ziehen - auf allen staatlichen Ebenen und im Zusammenwirken aller Ämter und Behörden. Wo es dazu des Gesetzgebers bedarf, stehen wir als Abgeordnete in einer besonderen Pflicht - vor allem da, wo es offenkundig nicht nur am Vollzug längst bestehender Gesetze mangelt. Sicherheitsbehörden und Justiz müssen in die Lage versetzt sein, die bestehenden Gesetze auch konsequent anwenden zu können.

Deshalb haben wir manche unbequeme Debatte zu führen. Wir dürfen und müssen uns dabei auch streiten. Damit haben wir im Übrigen in den zuständigen Gremien wie im Plenum des Bundestages ja bereits begonnen. Niemand sollte das mit Schwäche verwechseln oder als Unentschlossenheit verunglimpfen. Es ist gerade die Stärke unserer herausgeforderten Demokratie, dass wir als Gesellschaft darum ringen, wie wir die schwierige Balance zwischen Sicherheitsanspruch und Freiheitsversprechen halten wollen.
Dass darüber intensiv zwischen den Parteien, übrigens auch in den Parteien, gestritten wird, muss auch in einem Wahljahr möglich sein. Die notwendige Auseinandersetzung darf aber nicht auf Kosten von Menschen erfolgen, die ihrer Herkunft oder Religion wegen in Sippenhaft genommen werden für die terroristische Gewalt, vor der sie vielfach selbst geflohen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Mörder vom Breitscheidplatz verstand sich als Muslim, als Soldat des „Islamischen Staates“ - und er gab sich als Flüchtling aus. Beides können wir nicht übersehen - gerade weil wir uns zur religiösen Vielfalt, zur weltoffenen Gesellschaft und zu unseren humanitären Verpflichtungen bekennen.
Als Staat, der Religionsfreiheit als Menschenrecht begreift und garantiert, und als Gesellschaft, in der Christen, Juden, Muslime und Menschen, die ohne Glauben sind, zusammenleben, dürfen und müssen wir die Auseinandersetzung der Muslime mit ihrer Religion und dem verhängnisvollen Zusammenhang von Glaube und fanatischer Gewalt mit Nachdruck einfordern. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime hat dies in seiner Stellungnahme unmittelbar nach dem Anschlag in Berlin beispielhaft getan. Auch das verdient Respekt und Anerkennung.

Wir bekämpfen nicht den Islam, sondern Fanatismus, nicht Religion, sondern Fundamentalismus - das gilt unter dem Eindruck des Terrors in unserem Land nicht anders als nach den Anschlägen in unseren europäischen Nachbarländern. Wo islamistisches Gedankengut verbreitet wird, haben wir dies mit aller gebotenen rechtsstaatlichen Härte zu bekämpfen. Terror ist nie religiös, Terror ist immer politisch - die Antwort darauf muss auch politisch sein. Dass gewaltbereite Islamisten die Not anderer Menschen benutzen, um sich in unser Land einzuschleichen und hier Unfrieden und Gewalt zu stiften, ist perfide, folgt aber der Logik der Terroristen, die unsere Gesellschaft spalten wollen. Weil wir das nicht zulassen und weil wir auch die zu uns Flüchtenden vor denen schützen wollen, die sie für ihre Zwecke missbrauchen, haben wir die doppelte Legitimation, konsequenter als bislang zu prüfen, wer zu uns kommt und wer hier bleiben kann. Und von denen, die bei uns bleiben, erwarten und verlangen wir, unseren Gesetzen und Normen vorbehaltlos zu folgen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der vergangenen Woche ist Roman Herzog verstorben, den wir am kommenden Dienstag in einer Trauerfeier im Berliner Dom würdigen werden. Unser früherer Bundespräsident, der diesem Land in herausragenden Ämtern gedient hat, hat in seiner unvergessenen Rede 1997, also vor 20 Jahren, eine klare Sprache eingefordert - sie ist auch heute gefragt und angemessen -: Wer - wo auch immer - führt, muß den Menschen, die ihm anvertraut sind, reinen Wein einschenken, auch wenn das unangenehm ist. Und an einer anderen Stelle hat er betont: Verantwortung ist die unausweichliche Konsequenz der Freiheit. Wir sind frei, und wir bleiben frei, solange wir für unsere eigenen Angelegenheiten Verantwortung übernehmen.

Bitte erheben Sie sich zum stillen Gedenken an die Opfer und zum Zeichen unserer Anteilnahme mit den Angehörigen von Ihren Plätzen.

(Die Anwesenden erheben sich)

Ich danke Ihnen.

Aktuelle Themen aus der Bundeshauptstadt

I. Aktuelle Themen

Innere Sicherheit stärken

Einbruchdiebstahl wirksam bekämpfen

Hasskommentaren im Internet effektiver begegnen


II. Daten und Fakten

Deutsches Wirtschaftswachstum auf Vierjahreshoch

Aufwärtstrend beim Nachwuchs


III. Dokumente

Stellungnahme zum NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Ansprache zum Anschlag am Breitscheidplatz



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