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Holger Noltze
Die Leichtigkeitslüge – Über Musik, Medien und Komplexität Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2010
„Kunst […] kann zwar leicht wirken, aber ihre Leichtigkeiten sind in der Regel nicht leicht zu haben. Wer es behauptet, verschweigt Wesentliches – und jetzt noch mal forte: lügt.“
Der Musikjournalist und Hochschullehrer für Musik und Medien an der TU Dortmund setzt sich mit den Ansprüchen der Kunst und den Kompetenzen auseinander, die für ihr Verständnis unverzichtbar sind, und kritisiert vor allem am Beispiel bekannter und weniger bekannter Kompositionen insbesondere die Neigung der Medien, dem Publikum den Zugang durch Vermittlungsprozesse zu erleichtern, die das Wesentliche eher versperren als eröffnen.
Seine Befunde nicht nur im Blick auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, sondern auch zunehmend der Printmedien werden in folgenden Zitaten deutlich:
„Immerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht.“ (S. 15)
„Dieses Buch behauptet, dass man nichts geschenkt bekommt, dass man es sich mit der Kultur zwar nicht unnötig schwer machen muss, dass das Schwere aber schwer und das Komplizierte nun mal komplex ist und das die habituelle Vermeidung von Anstrengung ein Übel ist. Und dass die Nicht-Zumutung von Anstrengung aus Furcht vor der Trägheit des Publikums auch etwas von Verachtung hat.“ (S.24)
„Kunst ist zuerst und vor allem Kunst. Wer sich darauf einlässt, kann fliegen lernen. Aber vorher muss es ein wenig bergauf gehen.“ (S.28)
„Wir amüsieren uns zu Tode“, mahnte Neil Postmann in den 1980er Jahren mit Blick auf die erschwerte „Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie“.
„Die Zeitkunst Musik fordert eben genau das von ihrem Publikum: Zeit, und zwar genau so viel, wie das Stück dauert…“(S. 166)
„Ereignis ist, was nicht Abo ist, um es auf eine einfache Formel zu bringen.“ (S.182)
„Selbst ein gescheiterter Vermittlungsversuch kann irgendetwas Gutes bewirken. Man darf sich nur nichts vormachen: Fast alle dieser Aktivitäten laufen auf eine Vereinfachung der Inhalte hinaus, auf Ermäßigung der intellektuellen Eintrittspreise […]. Das eine große Tabu im musikmedialen Betrieb ist Komplexität. Das andere ist: Anstrengung.“ (S.223)
„Haydn, etwa indem er die Sonatenhauptsatzform zum Spielfeld experimenteller Kreativität macht, könnte hören lehren, dass fast alles auch anders sein könnte […]. Darin liegt eine erschütternde Feststellung, nicht nur für die Sonatenhauptsatzform.“ (S.251)
„Die- spielerisch, vorläufig – angenommene Regel erst macht deren Verletzung zum Ereignis.“ (S.257)
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