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Susanne Schädlich
Herr Hübner und die sibirische Nachtigall
Droemer Verlag, München 2014


Das neue Buch von Susanne Schädlich ist ebenso beeindruckend wie bedrückend. Pünktlich zum Gedenkjahr 2014, das an zwei Weltkriege und ihre Folgen für Deutschland und Europa erinnert sowie die friedliche Revolution, die vor 25 Jahren Millionen Menschen Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht hat, schildert die Autorin die unglaublichen Schicksale eines Mannes und einer Frau, die 1948 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone zunächst ohne Angaben von Gründen verhaftet wurden und in die Mühlen der stalinistischen wie der DDR-Justiz gerieten. Der 21-Jährige Liberaldemokrat Dietrich Hübner und die doppelt so alte Operettensängerin und Schauspielerin Mara Jakisch waren für eine kurze Zeit Zelle an Zelle inhaftiert, konnten sich jedoch nur durch Klopfzeichen verständigen, sind sich indes nie begegnet. Beide verbrachten anschließend viele Jahre ihres Lebens hinter Gittern - er in der DDR, sie im sibirischen Gulag.



Ein Roman ist das Buch – entgegen der Ankündigung – nicht. Nicht einmal diesen Trost vermittelt die Lektüre. Es handelt sich nicht um fiktive, sondern um reale Personen. Die Beschuldigungen wie die Verhöre, die Urteile wie die Haftbedingungen, die Demütigungen vor und nach der Entlassung in die Freiheit sind nicht erfunden, sondern genauso erlebt und erlitten worden.



Wer wie ich im Jahr 1948 geboren wurde, auf der glücklicheren Seite eines geteilten Landes, von einem verlässlich funktionierenden Rechtsstaat verwöhnt, von den Zumutungen zweier totalitärer Systeme in Deutschland verschont, von der Überwindung nationalsozialistischer wie kommunistischer Unrechtssysteme erleichtert und dem Zusammenwachsen Europas begeistert wie auch von der Versuchung geplagt, die jetzigen Verhältnisse für selbstverständlich und ein für allemal gesichert zu halten, muss sich von den dargestellten Lebensschicksalen berührt und betroffen fühlen. Besseres lässt sich über ein Buch kaum sagen.


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