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Den Glauben in die Zeit tragen, nicht den Zeitgeist in die Theologie
zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI.

Es gibt einfachere Aufgaben, als einem Papst in angemessener Weise öffentlich zum Geburtstag zu gratulieren. Und es gibt es andere Gelegenheiten und kompetentere Autoren, um ein jetzt 80 Jahre langes Leben zu würdigen des Wissenschaftlers und Priesters, des Konzilstheologen, des Bischofs und Kardinals Joseph Ratzinger, der seit dem 19. April 2005 als Papst Benedikt XVI. Oberhaupt der Katholischen Kirche ist.

Ob dieser Papst für die Kirche und die Welt eine nachhaltig prägende Bedeutung haben wird, das kann man heute noch nicht hinreichend beantworten. Dass er eine der wenigen unbestrittenen Autoritäten unserer Zeit ist, lässt sich schon jetzt mühelos erkennen.

Es war nicht nur spontaner Jubel, was Kardinal Joseph Ratzinger bei seiner Papstwahl vor zwei Jahren aus seiner eigenen Heimat entgegenschlug. Kaum jemand hat Zweifel, dass sein großer Vorgänger nicht nur von den polnischen Bischöfen und Kardinälen, sondern auch von den polnischen Katholiken mit haushoher Mehrheit zum Papst gewählt worden wäre, was man von den Deutschen und „ihrem“ Papst, dem ersten Deutschen auf dem Stuhle Petri nach fast 500 Jahren, nicht in gleicher Weise behaupten kann. Im Gegenteil: der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, hat damals befürchtet, „dass der deutsche Sprachraum auf die Barrikaden geht“. Doch nur wenige Monate später begrüßten fast eine Millionen Jugendliche den ersten deutschen Papst seit der Reformation beim Kölner Weltjugendtag mit begeistertem Applaus.

Weltfremd, konservativ, dogmatisch: Dies sind die weitverbreiteten Einschätzungen, die sich vor allem mit dem Wirken des langjährigen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation verbinden. Liest man seine Bücher und Aufsätze, die Vorträge und Predigten, wird sofort deutlich, dass diese Klischees seiner Haltung nicht gerecht werden. Einfach sind seine Argumente selten, bequem nie. Seine glasklaren Positionen zu Abtreibung, Homo-Ehe und Frauenpriestertum, zum Ausschluss wieder verheirateter Geschiedener von Sakramenten wurden wegen ihrer unerbittlichen Strenge von vielen Katholiken vor allem in Deutschland bedauert und öffentlich kritisiert – insbesondere aber der von ihm erwirkte Ausstieg der deutschen Bischöfe aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung. Das von ihm im Juni 2000 vorgelegte Dokument „Dominus Jesus“ mit dem ausdrücklichen besonderen Anspruch der Katholischen Kirche vor allen anderen Glaubensgemeinschaften wurde von vielen ökumenisch engagierten Christen als Rückschlag für den Annäherungsprozess der Kirchen empfunden.

Unmittelbar nach seiner Wahl zum 265. Nachfolger des heiligen Petrus hat Benedikt XVI. bei der Übernahme seiner Kathedralkirche als römischer Bischof in Erinnerung gerufen, dass der Papst in seinen großen Entscheidungen gebunden sei „an die große Gemeinschaft des Glaubens aller Zeiten, an die verbindlichen Interpretationen des Glaubens entlang dem Pilgerweg der Kirche“. Er dürfe nicht seine eigenen Ideen verkünden, sondern müsse sich selbst und die Kirche an den Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes binden, gegenüber allen Versuchen der Anpassung und Verwässerung wie auch gegenüber jedem Opportunismus. Anpassung. Verwässerung. Opportunismus. Diesen großen Versuchungen unserer Zeit stellt er den zentralen Auftrag der Kirche gegenüber, den Glauben in unsere Zeit zu tragen, nicht den Zeitgeist in den Glauben.

Es ist diese Festigkeit der inneren Überzeugung, eine Gradlinigkeit, die manchen als Sturheit erscheint, die immer wieder Anstoß erregt, weil sie sich dem Zeitgeist nicht beugt und auf Mehrheiten nicht angewiesen ist. Dabei bestreiten nicht einmal seine heftigsten Kritiker die überragende Intelligenz, mit der sich der Theologe Joseph Ratzinger schon als junger Wissenschaftler den Herausforderungen unserer Zeit stellt, keineswegs nur der katholischen Kirche. Er beeindruckt Anhänger wie Gegner immer wieder nicht nur durch die gelegentlich provozierende Hartnäckigkeit seiner Argumentation, sondern zugleich durch die persönliche Bescheidenheit, mit der er viele selbsternannte Geistesgrößen beschämt: „ein einfacher Arbeiter im Weinberg Gottes“, wie er sich selbst nach seiner Wahl bezeichnet.

Wer den heutigen Papst verstehen will, muss die Texte des Theologen Joseph Ratzinger lesen. Wer seine Einsichten und Absichten verdeutlichen will, muss ihn selbst zu Wort kommen lassen. Beispielhaft soll dies mit zwei großen Themen erfolgen, die für die aktuelle Diskussion besondere Bedeutung haben: Die geistigen Grundlagen Europas und das Verhältnis von Glaube und Vernunft.

Der Vortrag über „Europas Identität – seine geistigen Grundlagen gestern, heute, morgen“ im italienischen Senat vom 13. Mai 2004 ist ein glänzendes Zeugnis des brillanten Intellektuellen Joseph Ratzinger und seiner profunden historischen und philosophischen Bildung. Von der Entstehung Europas mit der Ausbildung der hellenistischen Staaten und des Römischen Reiches, seiner doppelten Teilung durch den Siegeszug des Islam sowie der Trennung zwischen dem lateinischen Europa des Westens und dem Oströmischen Reich mit Byzanz als dem neuen Rom schlägt der Autor den großen Bogen über parallele und auseinanderstrebende Entwicklungen des alten Kontinents. Erst durch die Abwanderung des Kaisertums aus Rom habe sich seit Konstantin in der alten Reichshauptstadt die selbständige Stellung des römischen Bischofs als Nachfolger Petri und Oberhaupt der Kirche entwickeln können, mit einer auch theologisch begründeten Dualität der Gewalten. Damit sei eine Gewaltentrennung und -unterscheidung eingeführt, die für die folgende Entwicklung Europas von höchster Bedeutung wurde und sozusagen das eigentlich Abendländische grundgelegt hat. Den Beginn der Neuzeit markiert neben der Eroberung Konstantinopels durch die Türken und dem Verlust seiner historischen Kontinuität zum Römischen Reich die Reformation mit der Ablösung großer Teile der germanischen Welt von Rom. Für den heutigen Papst entsteht damit „eine neue, aufgeklärte Art des Christentums …, so dass durch das ‚Abendland’ von nun an eine Trennlinie verläuft, die deutlich auch einen kulturellen Limes, eine Grenze zweier unterschiedlicher Denk- und Verhaltensweisen bildet“. Mit der Französischen Revolution werde schließlich die sakrale Fundierung der Geschichte und der staatlichen Existenz gänzlich abgeworfen: Der Staat wird nunmehr allein auf Rationalität und Bürgerwille gegründet, „erstmals in der Geschichte überhaupt entsteht der rein säkulare Staat, der die göttliche Verbürgung und die Normierung des Politischen als mythische Weltansicht ablegt und Gott selbst zur Privatsache erklärt, die nicht ins Öffentliche der gemeinsamen Willensbildung gehört“.

Es überrascht nicht, dass der Theologe und Philosoph Joseph Ratzinger in der Universalisierung der europäischen Kultur und ihrer technisch-säkularen Lebensmuster zugleich ihre Krise diagnostiziert - ein Befund, der ihn bis heute umtreibt: „Europa scheint in dieser Stunde seines äußersten Erfolgs von innen her leer geworden, gleichsam von einer lebensbedrohenden Kreislaufkrise gelähmt, sozusagen auf Transplantate angewiesen, die dann aber doch seine Identität aufheben müssen“. Weder das laizistische Modell der strengen Trennung von Staat und religiösen Körperschaften noch die staatskirchlichen Modelle des liberalen Protestantismus hätten die moralische Kraft entwickelt, die der Staat selbst nicht schaffen könne, sondern voraussetzen müsse.

Ob es in den gewaltigen Umbrüchen unserer Zeit eine Identität Europas gibt, die Zukunft hat und zu der wir von innen her stehen können, ist nicht nur für den Theologen eine zentrale Frage, die sich auch für den Papst keineswegs erledigt hat. Vor dem italienischen Senat hat er damals an die Überzeugung der Väter der europäischen Einigung Adenauer, Schuman und De Gasperi erinnert, dass man nach den Greueln des Krieges mit einer neuen Zuwendung zu den großen Konstanten des christlichen Erbes „wieder zu dem zurückkehren müsse, was diesem Kontinent in allen Leiden und Verfehlungen seine Würde gegeben hatte“. Die Unbedingtheit, mit der Menschenwürde und Menschenrechte als Werte proklamiert werden, die jeder staatlichen Rechtsetzung vorangehen, kodifiziere ganz wesentlich christliches Erbe, das gleichwohl nur verschämt neben anderen kulturellen Traditionen als Fundament reklamiert und schon gar nicht für allgemeinverbindlich erklärt werde. „Die immer wieder leidenschaftlich geforderte Multikulturalität ist manchmal vor allem Absage an das Eigene, Flucht vor dem Eigenen“. Europa brauche aber „eine neue – gewiß kritische und demütige – Annahme seiner selbst, wenn es überleben will“. Das ist gewiss nicht weltfremd, sondern wirklichkeitsnah.

Ein „neues Europa, realistisch, aber nicht zynisch, reich an Idealen, doch frei von naiven Illusionen, inspiriert von der ewigen und lebensspendenden Wahrheit der Christlichen Evangeliums“, hat Papst Benedikt XVI. am Vortag des Berliner Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der Römischen Verträge gefordert. Vor den Vertretern der Katholischen Bischofskonferenzen aller 27 Mitgliedsstaaten der Union forderte Benedikt bei einer Audienz im Vatikan die Staatsoberhäupter und Regierungschefs auf, die christliche Identität Europas zu bekräftigen: „Ist es nicht überraschend, dass das heutige Europa – während es versucht, sich als Gemeinschaft von Werten zu präsentieren – immer häufiger abstreitet, dass es überhaupt universelle und absolute Werte gibt.“ Mit dieser „einzigartigen Form des Abfalls von sich selbst, noch vor jenem vor Gott“ lasse Europa vielleicht selbst an seiner eigenen Identität zu zweifeln, schreibt das katholische Kirchenoberhaupt den politischen Repräsentanten eines Kontinents ins Stammbuch, der sich längst nicht mehr unangefochten als „christliches Abendland“ versteht.

Papst Benedikt XVI. ist mit seinen Texten und Predigten sicher kein Hilfsaggregat für politische Diskussionen in Deutschland oder in der Europäischen Union. Aber dieser Papst, der sich der europäischen Zivilisation nicht nur aufgrund der eigenen Herkunft, sondern aufgrund seines gesamten Denksystems ganz ausdrücklich verbunden fühlt, ist auch deswegen ein ganz besonders eindrucksvoller Zeuge der Strahlkraft und gleichzeitig auch der Nachdenklichkeit dieser Kultur. Niemand wird ihn für eigene Diskussionsanliegen instrumentalisieren dürfen, aber die Regelmäßigkeit, mit der er in öffentlichen Diskussionen über Grundsatzfragen moderner Gesellschaften als eine schwer zu überhörende und schon gar nicht zu übergehende Instanz zitiert wird, bestätigt seinen Rang wie seine persönliche Reputation. Die weltweite Aufmerksamkeit, die seine Regensburger Vorlesung insbesondere im islamischen Kulturkreis gefunden hat, ist dafür ein auffälliger Beleg.


Die zahlreichen Bücher, Vorträge und Aufsätze präsentieren einen Kirchenfürsten, der an der politischen Verfassung der Welt nicht weniger interessiert ist als an der Situation der Kirche, für die er die oberste Verantwortung übernommen hat. Seine Bemerkungen zum Verhältnis von Politik und Moral, politischen Visionen und Praxis der Politik sowie insbesondere zu den vorpolitischen moralischen Grundlagen eines freiheitlichen Staates sind konservativ im besten Sinne des Wortes: selten aufregend, immer anregend und an der Erhaltung der Ordnung ebenso interessiert wie an der Veränderung der Welt – in der souveränen Erkenntnis, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Der Fundamentaltheologe Joseph Ratzinger führt die für das Religions- und Wissenschaftsverständnis des Abendlandes grundlegende Auseinandersetzung des großen Kirchenlehrers Augustinus mit dem Spannungsverhältnis zwischen Glaube und Vernunft für die Neuzeit weiter, indem er die Ambivalenz von Fortschritt, Wissenschaft und Freiheit als die im allgemeinen Bewusstsein dominierenden aktuellen Werte kritisch beleuchtet. Gegen ein anarchisches und antiinstitutionelles Missverständnis der Freiheit, gegen die Pathologien der Wissenschaft und die beliebige Verzwecklichung ihres Könnens sowie die mythische Vereinseitigung des Fortschritts, der längst begonnen habe, die Schöpfung als Basis unserer Existenz zu gefährden, besteht der Theologe Joseph Ratzinger keineswegs auf dem Vorrang des Glaubens, sondern auf der Verteidigung der Vernunft und ihrer moralischen Ansprüche als der „Freigabe der Vernunft zu sich selbst“. Die fatale Verbindung von religiösem Fanatismus und terroristischer Gewalt lässt ihn ausdrücklich die Frage stellen, ob Religion dann noch eine heilende und rettende oder nicht eher eine archaische und gefährliche Macht sei: „Muss da nicht Religion unter das Kuratel der Vernunft gestellt und sorgsam eingegrenzt werden? ... Ist die allmähliche Aufhebung der Religion, ihre Überwindung, als nötiger Fortschritt der Menschheit anzusehen, damit sie auf den Weg der Freiheit und der universalen Toleranz kommt, oder nicht?“ Zugleich seien angesichts der Erfahrungen mit Menschenzüchtung, Selektion wertvollen und vermeintlich unwerten Lebens, der Verselbständigung von Technik und Wissenschaft bis hin zu gigantischen Massenvernichtungswaffen längst Zweifel auch an der Verlässlichkeit der Vernunft aufgestiegen. Müsste also jetzt nicht umgekehrt die Vernunft unter Aufsicht gestellt werden, fragt der Kirchenführer und erstaunt seine Leser mit der gänzlich undogmatischen Verweigerung des Vorrangs der einen vor der anderen Orientierung im Sinne einer wechselseitigen Begrenzung: ebenso wie es „Pathologien in der Religion gibt, die höchst gefährlich sind und die es nötig machen, das göttliche Licht der Vernunft sozusagen als ein Kontrollorgan zu sehen, von dem her sich Religion immer wieder neu reinigen und ordnen lassen muss“, so gebe es auch eine Hybris der Vernunft, die in ihrer potentiellen Effizienz noch bedrohlicher sei. „Deswegen muss umgekehrt auch die Vernunft an ihre Grenzen gemahnt werden und Hörbereitschaft gegenüber den großen religiösen Überlieferungen der Menschheit lernen“. Benedikts Plädoyer für die Notwendigkeit der Verbindung von Vernunft und Glaube, Politik und Religion, „die zu gegenseitiger Reinigung und Heilung berufen sind und die sich gegenseitig brauchen und das auch gegenseitig anerkennen müssen“, versteht sich nicht zuletzt in der Erkenntnis der Unverzichtbarkeit eines interkulturellen Dialogs um die Grundfragen des Menschseins, die nach seiner Überzeugung weder rein binnenchristlich noch allein innerhalb der abendländischen Vernunfttradition geführt werden kann. Umso dringender müsse diese Grundregel im multikulturellen Kontext unserer Gegenwart konkretisiert werden. „Ohne Zweifel sind die beiden Hauptpartner in dieser Korrelationalität der christliche Glaube und die westliche säkulare Rationalität. Das kann und muss man ohne falschen Eurozentrismus sagen. Beide bestimmen die Weltsituation in einem Maß wie keine andere der kulturellen Kräfte“. Diese Einschätzung werden viele Politiker und Publizisten teilen, die wenigsten würden sie auch so schnörkellos zum Ausdruck bringen.

Die Aussichtslosigkeit einer abschließenden Beantwortung der fundamentalen Frage nach der Wahrheit begründet den Relativismus als Voraussetzung der Demokratie und als die eigentliche Garantie der Freiheit. Der Theologe Ratzinger bestätigt, daß die Achtung der Freiheit jedes einzelnen heute ganz wesentlich darin gesehen wird, daß die Wahrheitsfrage nicht vom Staat entschieden wird. Umgekehrt scheine ein Grundbestand an sittlicher Wahrheit gerade für die Demokratie unverzichtbar zu sein, schon gar angesichts der „Blindheit der Vernunft für die ganze nicht-materielle Dimension der Wirklichkeit“. Schließlich sei es gerade diese eschatologische Haltung, die dem Staat sein eigenes Recht garantiere und zugleich dem Absolutismus wehre, indem sie die Grenzen sowohl des Staates als auch der Kirche in der Welt aufzeigt. „Das Menschsein beginnt in allen Menschen neu. Deswegen kann es die endgültig neue, fortgeschrittene und heile Gesellschaft nicht geben, auf die nicht bloß die großen Ideologien gehofft haben, sondern die – nachdem die Hoffnung auf das Jenseits abgebaut wurde – immer mehr zum allgemeinen Hoffnungsziel wird“. Eine endgültig heile Gesellschaft würde den Verlust oder Verzicht auf individuelle Freiheit voraussetzen. Und weil der Mensch immer frei bleibe und in jeder Generation neu beginne, müsse auch die rechte Form der Gesellschaft immer neu in den je neuen Bedingungen errungen werden. Insoweit sei das Reich der Politik die Gegenwart und nicht die Zukunft.

Nicht nur und nicht erst beim Weltjugendtag in Köln war der Eindruck zu gewinnen, dass die Zeit wohl vorbei ist, in der insbesondere junge Menschen denen Respekt zollen, die ihnen das sagen, was sie ohnehin am liebsten hören. Vielmehr scheint der Bedarf gewachsen an überzeugenden Positionen, die auch quer zum Zeitgeist stehen, und das nicht aus bloßer Sturheit, sondern mit nachvollziehbaren, offen vertretenen Gründen.

Ich habe keine hinreichend begründete Vorstellung von dem Weg, den dieses Pontifikat gehen wird, aber ich stelle mit einer Gewissheit Verblüffung fest, wie viele sehr unterschiedliche Spekulationen sich damit verbinden, von denen die einen ganz genau zu wissen glauben, dass sich da nichts, aber auch gar nichts ändern wird, während die anderen mit ähnlicher Gewissheit große Überraschungen ankündigen, ohne ihrerseits erläutern zu können, worauf sich diese Erwartung begründet. Wenn sich aus den Erfahrungen mit dem Wissenschaftler wie dem Bischof und aus der Lektüre seiner zahlreichen Publikationen überhaupt eine Gewissheit gewinnen lässt, dann ist es die, dass er für solche Erwartungen völlig unzugänglich ist. Und dass er im Unterschied zu manchen anderen, insbesondere zu Politikern, sich auch gar nicht erst in der Verlegenheit befindet, auf Erwartungen anderer als erstes und wichtigstes Kriterium reagieren zu müssen. Zu den großen Vorzügen und Ärgernissen von Glaubensüberzeugungen gehört ja, dass sie keine Mehrheiten benötigen. Und dieser Papst ist das wandelnde Beispiel für die Verdeutlichung dieses Anspruchs, der sich in seinem 9. Lebensjahrzehnt schwerlich verändern wird. Auf Mehrheiten kommt es nicht an, wenn es um Wahrheiten geht.

Es gebe genauso viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt, hat der heutige Papst einmal in einem Gespräch bemerkt: Das macht die Sache nicht unbedingt einfacher, aber es ist ein wunderschönes, ermutigendes Motto für den Dialog der Religionen und Kulturen.


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