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Laudatio zur Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung an Cees Nooteboom
am 12.12.2010 in Weimar

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
liebe Frau Lieberknecht,
Herr Vorsitzender, lieber Hans-Gert Pöttering,
verehrter, lieber Herr Nooteboom,
meine Damen und Herren!

„Zur selben Zeit, da wir unsere eigenen Bilder verlieren, weil wir die Geschichten, aus denen sie hervorgegangen sind, nicht mehr kennen, werden wir durch die Globalisierung mit dem überschwemmt, was der Kommerz sich für uns ausgedacht hat, und gleichzeitig, um die Verwirrung komplett zu machen, mit den Bildern und Symbolen der anderen. Um uns herum werden Moscheen und Hindutempel erbaut, in den Schaufenstern von Antiquitätengeschäften oder in den Häusern von Freunden sehen wir Totenschiffe und vielarmige sowie vielköpfige Götter, die in ihrem Ursprungsland eine ganz andere Bedeutung haben als bei uns. […] Wir haben in den letzten fünfzig Jahren eine ganze Reihe anderer Welten hinzubekommen, während wir gleichzeitig im Begriff sind, unsere eigene Welt langsam zu verlieren. […] Wenn man lange genug auf der Welt ist, um zu wissen, dass man an einem Punkt in der Zeit angelangt ist, von dem aus man mit klarem Blick auf die Vergangenheit schauen kann, erkennt man besser, was verschwunden ist und noch immer verschwindet, als dass man wüsste, was kommen wird. Das ist kein Grund zum Trauern, aber man sollte sich dessen bewusst sein. Auch dieses Bewusstsein gehört zur Kultur.“

Diese klugen Sätze von Cees Nooteboom finden sich in einem Essay, der im Januar 2010 unter dem Titel „Armut unter einem Baldachin aus Gold“ in der Wochenzeitung Die Zeit erschienen ist. Für mich persönlich ist es der gescheiteste, leichteste und zugleich ernsthafteste Beitrag im deutschsprachigen Feuilleton dieses Jahres über – so die Untertitel „Missverständnisse zwischen den Kulturen“ und „wohin es führt, wenn wir unsere eigene Kultur nicht mehr verstehen.“

Cees Nooteboom schließt seine Betrachtungen über Kultur als Abstraktion und Kultur als Geschichte und Folge von Geschichten von der griechischen Mythologie über lateinische Texte bis zu christlichen Symbolen mit einem leisen, eindrücklichen Moll-Akkord: „In der turbulenten Welt, in der ich gelebt habe, mit Krieg, Kaltem Krieg, atomarer Bedrohung, Entkolonialisierung hat es stets eine Konstante gegeben, das Erbe meiner Gymnasialjahre, die Geschichten, die mein Leben begleitet haben. Dass dies für die meisten meiner Zeitgenossen nicht gilt, weiß ich und verstehe ich. Wenn ich sage, dass ihr Leben durch dieses Erbe bereichert würde, sind es Worte in den Wind. Aber dann habe ich sie zumindest gesprochen.“

Meine Damen und Herren,
die Laudatio, um die ich gebeten wurde und die ich gerne übernommen habe, muss bedauerlicherweise entfallen. Ich habe mir durchaus Mühe gegeben, Material gesammelt und gesichtet. Mitten in den Vorbereitungen, immer wieder unterbrochen durch tatsächliche und eingebildete Staatsgeschäfte, fand ich vorgestern ein älteres Interview mit Cees Nooteboom, in dem er erklärte: Wer seinen Roman Der Ritter ist gestorben nicht kenne, „weiß eigentlich nicht, was für ein Autor ich bin.“

Sie vermuten richtig: Ich habe das Buch nicht gelesen. Die Aussicht, dies nachholen zu können – irgendwann –, hilft mir hier nicht weiter, Ihnen auch nicht, jedenfalls nicht heute. Ein unauffälliges Manko für den interessierten Leser, ein schlichtes Desaster für den Laudator, mit disqualifizierender Wirkung.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, die übliche, dem Veranstalter und dem Preisträger angemessene Laudatio findet heute nicht statt. Ich flüchte mich hilfsweise in einige mehr oder weniger originelle Hinweise zum Autor, seiner Biografie und seinem Werk, einige persönliche, naturgemäß rein subjektive Leseeindrücke und viele Originalzitate von Cees Nooteboom. Immer wieder. Gnadenlos. Mit wenigen erläuternden Unterbrechungen – in der heimlichen Hoffnung, dass unter dem Glanz dieser Zitate die entscheidende Blöße nicht auffällt und meine gelegentlichen leichtfertigen Kommentierungen oder Zuordnungen der Texte Ihnen entweder einleuchten oder umgekehrt durch die Nachsicht entschuldigt werden, dass man von jemandem, der den ,Gestorbenen Ritter’ nicht kennt, vernünftigerweise auch keine Aufklärung über den Autor erwarten darf.

Im Kritischen Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur heißt es zur Biografie von Cees Nooteboom:
„Cees (eigentlich Cornelis Johannes Jacobus Maria) Nooteboom, geboren am 31.7.1933 in Den Haag. Sein Vater kam 1940 beim Bombardement auf Den Haag ums Leben, die Familie war evakuiert. Der Junge besuchte Klosterschulen in Eindhoven und Venray, wurde mehrfach als ,zu kritisch’ fortgeschickt. Seit 1950 arbeitete er in Werbebüros, bei Banken sowie als Bote. Vom Stiefvater aus dem Haus geprügelt, entdeckte er das Reisen (Trampen) als seine Lebensform. Mit 20 Jahren schrieb er seinen ersten Roman Das Paradies ist nebenan, der ihn sofort bekannt machte. […] Sein Engagement fürs Theater brachte keinen Durchbruch; weitere Stücke blieben unaufgeführt. Erfolg brachten die Reiseskizzen. […] In den sechziger und siebziger Jahren schrieb er viele Songtexte, vor allem für Liesbeth List, mit der er damals […] die Welt durchreiste. […] Durchbruch als Erzähler mit dem Roman Rituale, nicht zuletzt aufgrund der Verbreitung des Buches in den USA. Nooteboom lebt (seit 1979 zusammen mit der Fotografin Simone Sassen) abwechselnd in Amsterdam, Berlin und Menorca. Er ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.“

Cees Nooteboom ist vielfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet. Seine Bücher sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Der Suhrkamp Verlag hat anlässlich des 75. Geburtstags des Autors eine neunbändige Ausgabe seiner Gesammelten Werke vorgelegt. Cees Nooteboom ist zweifellos ein glänzender Schriftsteller von internationalem Rang, ein leidenschaftlicher Europäer und ein Humanist im wahren Sinne des Wortes.

In Deutschland ist Nooteboom einem breiten Publikum bekannt geworden, vor allem durch die hymnische Besprechung seines Buches Die folgende Geschichte im Literarischen Quartett unter der wie immer denkwürdigen Moderation von Marcel Reich-Ranicki. Hellmuth Karasek hat den Roman Die folgende Geschichte damals wie folgt vorgestellt; Frau Prof. Lermen hat mir das Protokoll besorgt:
„Also: Das Buch ist eine Erzählung aus dem Paukermilieu: zwei Lehrer, eine Schülerin und ein Schulmädchen. Der eine Lehrer mit sportlicher Figur – Turnlehrer – liebt das Schulmädchen, das die beste Schülerin in der Schule ist. Aus Rache verliebt sich seine Frau, die eine Biologielehrerin ist, in den Lateinlehrer. Am Schluss wird der Lateinlehrer niedergeprügelt, und beide Lehrer müssen die Schule verlassen.“

So könnte man das Buch erzählen. Darauf Reich-Ranicki: „Mein Lieber, wenn Sie den Hamlet erzählen würden, würden alle denken, das ist das letzte dumme Zeug.“ Karasek hat dann auch die Kurve gekriegt und gesagt: „Nein, nein, also so darf man das natürlich nicht erzählen. Das Buch ist ein Abschied vom Erzählen in der höchsten Form des Erzählens.“

Das wiederum hat selbst Reich-Ranicki gefallen, der dann fünf Minuten später noch einmal ausdrücklich darauf hinweist: Es sei eine Erzählung über die Unmöglichkeit des Erzählens.

Es ist jedenfalls ein grandioses Buch, vielleicht fast so bedeutend wie Der Ritter ist gestorben.

Meine persönliche Beziehung zu Cees Nooteboom, meine Bewunderung für seine Bücher beginnt mit dem großen Spanienbuch Der Umweg nach Santiago. Dieses erste Buch, das ich von ihm je gelesen habe, vor fast zwanzig Jahren, hat mich begeistert und fasziniert wie kein anderes Buch über ein Land, seine Geschichte und Kultur davor oder danach. Auf den Spuren von Don Quichotte zwischen Fantasie und Wirklichkeit – seitdem liebe ich Spanien noch ein bisschen mehr als andere der zahlreichen europäischen Länder und ihre eindrucksvollen Kulturgeschichten, und vor allem weiß ich seit dieser Lektüre, dass es nicht das Sozialprodukt, nicht die Wachstumsrate und nicht Einkommen und die Vermögen, nicht einmal die Sozialleistungen und schon gar nicht die Autobahnkilometer sind, die den Rang eines Volkes im Gedächtnis der Menschheit bestimmen, sondern die kulturellen Leistungen, die über Jahrhunderte Bestand haben.

Der Umweg nach Santiago ist für mich das anregendste und aufregendste, schönste Reisebuch, das ich je in den Händen hatte. Bis zum Sommer dieses Jahres, als ich José Saramagos Portugiesische Reise in einer ähnlichen Weise verschlungen habe – mit dem Gefühl, der Nobelpreisträger habe es nach der Lektüre von Nootebooms Spanienbuch in der Absicht geschrieben, sich selbst zu beweisen, dass er so etwas Ähnliches auch könne, und dem natürlich wieder völlig unmaßgeblichen persönlichen Eindruck, dass Nootebooms Spanienbuch jedenfalls um die 150 Seiten besser ist, die Saramagos Buch länger ist.

In seiner Essaysammlung Nootebooms Hotel gibt es einen interessanten Beitrag unter der Überschrift „Im Auge des Sturms“, in dem Nooteboom etwas über die Betrachtungsperspektive schreibt, mit der er an Länder, an Objekte, an Ereignisse herangeht. Dabei zitiert er den arabischen Philosophen Ibn al-Arabi: „Vielleicht ist es so, dass sich der wahre Reisende immer im Auge des Sturmes befindet. Der Sturm ist die Welt, das Auge ist das, womit er die Welt betrachtet. Im Auge ist es still, und wer sich darin befindet, kann gerade die Dinge unterscheiden, die den Sesshaften entgehen.“ Das setzt allerdings voraus, dass man rechtzeitig da ist, wo es etwas Bedeutendes zu beobachten gibt. Und diesen ganz außerordentlichen Instinkt, zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein, hat Nooteboom in einer geradezu atemberaubenden Weise. Er war just dann dort, wo es richtig los ging: 1956 in Budapest, 1986 in Paris, 1989 in Berlin.

Und dass eben tatsächlich diese Sicht von außen manches in den Blick bekommt, das die Sesshaften, wie er sie hier nennt, gar nicht wahrnehmen, schon gar nicht sofort und oft auch nicht, wenn sie nicht darauf hingewiesen werden. Davon geben alle seine Reisebücher, aber für uns Deutsche natürlich insbesondere seine Berliner Notizen, grandiose Zeugnisse ab.

Ich will Ihnen fünf Beispiele dafür vortragen. 1989 schreibt er: „Politische Science-fiction wäre es gewesen, wenn man vor einem Jahr [also 1988; NL] mit einem Roman gekommen wäre, in dem ein CDU-Ministerpräsident der DDR mit einem französischen Namen nach Moskau fliegt, um sich mit Gorbatschow über die eventuelle NATO-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland zu unterhalten. Man stelle sich folgendes vor: Der Honecker von vor einem Jahr, der die Zeitung von heute in der Hand hält, in einer Kurzschlusshandlung den Fernseher einschaltet und de Maizière auf dem Moskauer Flughafen die Gangway herunterkommen sieht. Was ist das für eine Wirklichkeit, die wirklich und absurd zugleich ist?“

Zweitens, liebe Frau Lieberknecht: Weimar: „Hier war ich im letzten Winter schon einmal. Eigentlich müßte ich die Stadt mit Goethe identifizieren, aber es wird Braunkohle. Unsinn, natürlich, denn der eine bleibt und der andere verschwindet wieder, trotzdem, der Kohlegeruch ist unvergeßlich. Letzten Endes wird es so sein, daß ich an Goethe denken werde, wenn ich irgendwo Braunkohle rieche.“

Drittes Beispiel: „An dem Tag, als 1.846 Menschen über Ungarn in die Bundesrepublik flüchteten, waren 28 Fotos von Erich Honecker in einer Nummer des Neuen Deutschland zu finden.“ Ja, diese geradezu skurrile Parallelität muss man wahrnehmen und gleichzeitig in den Blick bekommen. „Mieser können große Träume eigentlich nicht enden. Wer dabei Schadenfreude empfindet, hat die Dimension des Elends nicht begriffen. Wer andererseits wieder behauptet, die Verabschiedung dieser Republik sei auch zu beklagen, muß wohl eine große Geringschätzung für Menschen empfinden. Die eventuelle Einheit Deutschlands scheint eine Anzahl westdeutscher Intellektueller viel mehr aufzuregen als die Vorstellung, daß Millionen ihrer Mitbürger aus einem Zwangssystem befreit sind. Dieses Heraufbeschwören möglicher Gespenster mutet krankhaft an. Das Verdächtigen der gerade Befreiten, weil ihnen die kapitalistischen Bananen schmecken und sie auch andere Dinge zu schätzen wissen, die für uns schon seit Jahrzehnten ganz normal sind.“

Viertes Beispiel: Die schönste Beschreibung des Dorotheenstädter Friedhofs in Berlin stammt natürlich von Cees Nooteboom: ein virtuelles Ballett der großen Philosophen und Dichter. Seinen Eindruck vom Besuch des Friedhofs beschreibt er wie folgt:
„Als ich mich an Hegels Grab umdrehe und zu Brecht hinüberschaue, sehe ich, daß da jemand steht und schreibt, mein Spiegelbild. […] Auf einmal habe ich das Gefühl, daß diese ganzen Worte buchstäblich unter meinen Füßen liegen, eine gigantische, zusammengeflochtene Konstruktion, Stollengänge voll Lieder und Paragraphen, die viel zugänglicheren Worte des einen tanzen um das granitene System des anderen, ein doppeltes Königreich, das unter den Gräbern fortwuchert und in dem Surabaya Johnny gemeinsam mit dem Weltgeist regiert, Macky Messer in Bill’s Tanzhaus in Bilbao mit der Phänomenologie in den Armen tanzt, und ein Schiff mit acht Segeln die Dialektik an eine Küste entführt, wo Soldaten zum letzten Mal die Wache ablösen, exakt im staatlichen Takt.“

Und schließlich ein fünftes und letztes Beispiel, das – ohne dass wir das abgesprochen hätten – sehr schön an das Zitat anschließt, das die Ministerpräsidentin vorhin in ihrem Grußwort vorgetragen hat: über die Wahrnehmung des Nachbarn mit Blick auf die deutsche Geschichte.

„Ich glaube zwar nicht“, schreibt Nooteboom in seinen Berliner Notizen, „an den unabwendbaren Lauf der Geschichte, wohl aber an etwas so Vages wie das spezifische Gewicht von Ländern und einen gewissen naturgegebenen Lauf der Dinge. Es schien mir natürlich, daß Deutschland wieder ein Land wurde. Genauso wie es mir auch natürlich erscheint, daß das viel Mühe kosten würde. Gleichermaßen natürlich erschien es mir, daß Berlin die Hauptstadt dieses einen Landes werden sollte und daß dieses vereinte Deutschland, das sich in den vergangenen fünfzig Jahren zu einer modernen europäischen Demokratie entwickelt hat und sich wie ein unablässiger Strom von Veröffentlichungen zeigt, durch eine immer intensivere Erinnerungsarbeit mit seiner unheilvollen Vergangenheit auseinandergesetzt hat, jetzt seinen Platz unter den anderen Ländern Europas einnehmen sollte.“

Hans van Mierlo, ein langjähriger Freund Cees Nootebooms, an den wir uns als langjährigen niederländischen Außenminister erinnern, hat Nooteboom einmal den, „unangefochtenen Meister im Hervorbringen von Landschaften, Städten, Kathedralen, Klöstern und bildhaften Kunstwerken“ genannt. Seine Beschreibungen von Farben, Geräuschen, Gerüchen, Wetterlagen werde durchzogen von dem, was das Wahrgenommene bei ihm auslöst: „Gefühle von Erstaunen, Bewunderung, Freude, Melancholie, in denen der Leser seine eigenen Emotionen erkennt und das Gefühl bekommt, dass er etwas liest, was er schon einmal gesehen, aber vergessen hat.“ Der Mann hat Der Ritter ist gestorben gelesen und trifft deshalb Intention und Wirkung von Cees Nooteboom in einer schwer überbietbaren Weise.

Meine Damen und Herren,
unter den Literaturpreisträgern der Konrad-Adenauer-Stiftung stammt ganz sicher nicht zufällig ein großer Teil aus Ost- und Ostmitteleuropa oder aus der ehemaligen DDR. Mit Cees Nooteboom ist nun erstmals ein Autor eines westeuropäischen Nachbarlandes Literaturpreisträger der Stiftung. Ein Jahr nach Uwe Tellkamp und seiner Innenansicht auf zwanzig Jahre deutsche Einheit nun die Außenansicht eines westeuropäischen Nachbarn auf Deutschland. Cees Nootebooms herausragendes literarisches Werk hat eine auffällige europäische Dimension, die politisch wie kulturell von großer Bedeutung ist, jenseits von Ideologien und verengenden Weltanschauungen. Er gehört zu den Intellektuellen unserer Gegenwart, die den Wert unseres kulturellen Erbes kennen und davon literarisch Zeugnis ablegen. Cees Nooteboom gilt seit Jahren als Anwärter auf einen international besonders geschätzten Literaturpreis, der vorgestern wieder vergeben wurde, wesentlich höher dotiert ist als der Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, aber auch sehr viel häufiger vergeben wird. Die Kriterien der Vergabe des Nobelpreises für Literatur sind auch weit weniger transparent als bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die literarische Trefferquote der Jury ist auch nachweislich höher und das wichtigste, einzelne ergänzende Kriterium über die literarische Exzellenz hinaus ist die Fähigkeit und Bereitschaft, der Freiheit eine Stimme zu geben.

Das hat Cees Nooteboom immer wieder getan. In seinen Reportagen und Essays, in seinen Erzählungen und Romanen hat er zur Pflege und Förderung unserer eigenen Kultur aufgefordert „wie von einer bedeutenden historischen Epoche, die so bald nicht wiederkehrt.“ Das Paradies ist nebenan wird nicht immer wahrgenommen, nicht immer bewusst. Genau beobachtend, präzise beschreibend und zugleich völlig unsentimental berichtet er vom großen europäischen Kulturerbe mit der leisen Melancholie des Zweifels, er spreche Worte in den Wind – „aber dann habe ich sie zumindest gesprochen“.

Er hat sie gesprochen, wir haben sie gehört. Sie klingen nach als eine große, kräftige Stimme im polyphonen Chor der europäischen Literatur, die sich mit Autoren wie Cees Nooteboom immer wieder ergänzt, ständig fortschreibt und immer wieder neu erfindet. Dafür haben Sie unsere Bewunderung, unseren Dank und unseren Respekt verdient.


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