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Weder Kooperation noch Konkurrrenz:
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist kein Paradebeispiel für den deutschen Kulturförderalismus

27. November 2001

Weder Kooperation noch Konkurrenz: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist kein Paradebeispiel für den deutschen Kulturföderalismus

von Dr. Norbert Lammert, MdB


Der deutsche Kulturföderalismus ist als Prinzip ebenso unbestritten wie er in seiner Praxis schwierig ist. Die öffentliche Debatte über die Gründung einer Bundeskulturstiftung, die weder die jeweils besonderen Aufgaben des Bundes und der Länder in der Förderung von Kunst und Kultur aufheben noch ihre gemeinsame Verantwortung ein für allemal vollenden wird, ist dafür ein aktuelles und aufschlussreiches Beispiel. Bislang ist außer der Absicht der Bundesregierung und der dafür im Bundeshaushalt zunächst bereitgestellten bescheidenen Fördersumme fast alles offen, was für die Arbeit einer solchen Stiftung wichtig ist: die präzise Aufgabenstellung, die Zusammenarbeit und Abgrenzung von bestehenden Einrichtungen mit ähnlicher Aufgabenstellung, die Zusammensetzung der Gremien, der Sitz und schon gar der Name. Unter den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer gibt es weder Einvernehmen, ob überhaupt noch darüber, wofür eine solche Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur in Deutschland tätig werden soll. Es überrascht wenig, dass die kleineren Bundesländer prinzipielle Bedenken gegen Aktivitäten des Bundes im Kernbereich ihrer eigenen Zuständigkeiten wegen der Aussicht auf zusätzliche Bundesmittel für das eigene Land eher zurückzustellen bereit sind als die finanzstarken Flächenländer. Und es liegt nicht mehr als nahe, vor der Gründung einer neuen gemeinschaftlichen Institution die vorhandenen Einrichtungen auf ihre Tauglichkeit abzuklopfen. Dazu gehört auch die Frage, ob bislang gemeinsam wahrgenommene Aufgaben nicht besser getrennt wahrgenommen werden sollten und das verstärkt reklamierte Interesse an Entflechtung von Aufgaben nicht auch im kulturellen Bereich Anwendung finden könnte.

In seinem Beitrag in der FAZ vom 14. November 2001 ( „Nichts für Entflechter - Ko-operation und Konkurrenz“) hat der Präsident der Stiftung preußischer Kulturbesitz diese als „ein Modell mit Zukunft“ dargestellt, das die vielstrapazierte Kulturhoheit der Länder nicht nur nicht gefährde, sondern auch und gerade bei der kulturellen Gestaltung der deutschen Hauptstadt zur Geltung bringe. Tatsächlich ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor inzwischen fast einem halben Jahrhundert auch erst gegen den ausdrücklichen Widerstand einiger Länder zustande gekommen, nachdem das Bundesverfas-sungsgericht die Klage einiger Länder gegen diese Initiative des Bundes zurückgewiesen hatte. Dass das preußische Kulturerbe seitdem nicht nur von den Nachfolgeländern Preußens, sondern als gemeinsames Erbe des neuen deutschen Staates vom Bund und allen seinen Ländern wahrgenommen wird, ist sicher gut begründet und hat sich im Allgemeinen zweifellos bewährt. Insbesondere nach der Wiedervereinigung wurde sie durch den Beitritt auch der neuen Länder zu einem wichtigen Ausdruck der großen deutschen, wiedervereinigten Kulturnation und ihres gewachsenen Kulturföderalismus. Dennoch sind von Beginn an die unterschiedlichen historischen Verbindungen und die daraus abgestuften Interessen deutlich geworden. Das herausragende Interesse des Bundes, von Berlin und mit Abstrichen auch des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen gegenüber allen übrigen Ländern kommt sowohl in der Finanzverteilung wie in der Besetzung der Gremien zum Ausdruck. Im 20-köpfigen Stiftungsrat sind je zwei Vertreter des Bundes, des Landes Berlin und des Landes Nordrhein-Westfalen vertreten; die übrigen Länder entsenden je einen Vertreter. Schon die Unauffälligkeit Brandenburgs ist nicht historisch, sondern nur finanziell zu begründen.

In den letzten Jahren ist zumindest die Wahrnehmung der gemeinsamen Finanzverantwortung nach dem Finanzierungsabkommen zwischen Bund und Ländern immer stärker notleidend geworden; der Bund hat immer mehr finanzielle Verpflichtungen Berlins übernommen, direkt und indirekt, auf Zeit oder auf Dauer. Nach den geltenden Regelungen teilen sich Bund und das Land Berlin je die Hälfte des sogenannten Bau-haus-haltes für Investitionen, während der sogenannte Betriebshaushalt der Stiftung zu 75 % vom Bund, zu 25 % von den Ländern finanziert werden soll. Da der Zuschuss der Länder auf einen Sockelbetrag von 60 Millionen festgelegt ist, liegt er bei einem Haushaltsansatz von gut 271 Millionen im Jahre 2001 schon jetzt deutlich unter dem zugesagten Anteil von einem Viertel der laufenden jährlichen Ausgaben. Noch dramatischer ist die Situation bei der Finanzierung der Investitionen, die wegen der notorischen Berliner Finanzprobleme beinahe zu einem Baustopp auf der Museumsinsel geführt hätte, obwohl Bund und Land die vollständige Restaurierung der Museumsinsel in einem Zehnjahresprogramm und dessen Finanzierung - nach der Wiedervereinigung - gemeinsam vereinbart hatten. Inzwischen ist die Umsetzung dieser Planung nur durch erhebliche Sondermittel des Bundes aufrechtzuerhalten, von denen Berlin - in einem schönen Beispiel für angewandten deutschen Kulturföderalismus - seine Zustimmung im Bundesrat zur Steuerreform abhängig gemacht hatte. So übernimmt der Bund bis zum Jahre 2009 jährlich 25 Millionen Mark des Berliner Anteils und stellt darüber hinaus von 2000 bis 2004 jährlich fast 44 Millionen DM aus Mitteln des Hauptstadtkulturvertrages zur Verfügung. Im Ergebnis hat sich damit die finanzielle Anspruchnahme des Bundes für Investitionen und die Betriebsausgaben der Museen, Biblio-theken und Archive der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dramatisch verschoben: im Haushaltsjahr 2001 trägt der Bund von den vereinbarten Baumitteln von insgesamt 220 Mio. DM nicht etwa die Hälfte, sondern rund 180 Mio., von den Betriebsausgaben von 271 nicht weniger als 211 Mio. DM, insgesamt also ziemlich genau 80 % aller Aufwendungen. Dass nach der unverändert geltenden Satzung trotz dieser einseitigen Finanzierungslast des Bundes in wichtigen Beschlüssen nicht gegen die Mehrheit der Länder entschieden werden kann, ist keineswegs selbstverständlich und ganz gewiss kein Ruhmesblatt für die mit Nach-druck reklamierte kulturpolitische Kompetenz der Länder. Die kontinuierliche Ausdünnung des finanziellen Engagements der Länder ist beinahe eine Selbstabdankung, jedenfalls eine Konterkarierung ihres „Alleinvertretungsanspruchs“ in der Kulturpolitik. So eindrucksvoll ihr kulturpolitisches Engagement in den jeweils eigenen Ländern in den meisten Fällen ist, in der Wahrnehmung nationaler Aufgaben der Kunst- und Kulturförderung sind die Länder für den Bund weder eine ernsthafte Konkurrenz noch gibt es überzeugende Kooperation.

Dass der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angesichts dieser Lage eine solide Verfolgung der Stiftungsinteressen und vor allem die einigermaßen zeitnahe Verwirklichung des Umbaus der Museumsinsel nur bei einer kompletten Übertragung der Bauinvestitionen auf den Bundeshaushalt gewährleistet sieht, ist nur allzu begreiflich und dass die amtierende Berliner Kultursenatorin sich diesem Vorschlag anschließt, keine Überraschung. Ein Modell lässt sich daraus ganz gewiss nicht ableiten - weder für den preußischen Kulturbesitz noch für eine Bundeskulturstiftung, zumal der Hinweis auf eine dann notwendige stärkere Beteiligung Berlins an den Betriebskosten bestenfalls gut gemeint, aus den gleichen Gründen aber wohl nicht wirklichkeitsnah ist. Vorbild für eine nationale Kulturstiftung könnte sehr viel eher die vorhandene Kulturstiftung der Länder sein, die bei genauerem Hinsehen eine Bundeskulturstiftung ist, für die der Bund und die Länder jeweils die Hälfte der jährlich gut 30 Millionen DM aufbringen und entsprechend ihrer Beteiligung auch über deren Verwendung entscheiden. Da inzwischen weitgehend unstreitig ist, dass eine nationale Kulturstiftung mit der vorhandenen Kulturstiftung der Länder verbunden, wenn nicht verschmolzen werden muss, könnte das angestrebte verstärkte Engagement des Bundes zur Förderung national und international herausragender Kulturprojekte auch durch eine Ausweitung der Aufgaben und der dazu verfügbaren Mittel dieser Stiftung erreicht werden. Dagegen ist eine Zusammenlegung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der geplanten Bundeskulturstiftung auch deswegen unzweckmäßig, weil die Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine operativ tätige Stiftung ist, die eigene Institutionen trägt und betreibt, während die Bundeskulturstiftung „fremde“ Projekte und Institutionen fördern soll. Wenn zu einer entsprechenden Aufstockung der jährlichen Mittel einzelne oder alle Länder nicht bereit oder je nach Haushaltslage nicht in der Lage sein sollten, ließe sich, gegebenenfalls unter Aufrechterhaltung einer paritätischen Besetzung der Aufsichtsgremien der Kulturstiftung der Länder, die notwendige Übereinstimmung von Entscheidungskompetenz und Mitteleinsatz durch ein den aufgebrachten Mitteln folgendes, differenziertes Stimmengewicht Rechnung tragen.

Ein Kulturföderalismus, der sich selbst ernst nimmt, kann jedenfalls nicht darin bestehen, dass der Bund die Mittel und die Länder die Gremienmitglieder stellen. Nur wenn Bund und Länder die Wahrung und Pflege nationalen Kulturerbes, die Darstellung des Kulturstaates Deutschland insbesondere in der Hauptstadt und die Förderung herausragender Ereignisse und Entwicklungen der aktuellen Kunst- und Kulturszene als Gemeinschaftsaufgabe begreifen und organisieren und dafür zusätzliche Mittel über die bisherigen Haushaltsverpflichtungen hinaus mobilisieren, macht eine Bundeskulturstiftung Sinn, ansonsten lohnt nicht einmal die aufgeregte Debatte.


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